Die Frage der Frauenordination im Lichte des Hermeneutikpapiers der SELK

Von | September 21, 2024
Hermeneutikpapier

Zur Anwendung des „Hermeneutikpapiers“ der SELK1 auf die Frage der Ordination von Frauen zum Amt der Kirche.

Der folgende Text umfasst zwei Teile. Zunächst erfolgt im ersten Schritt eine Darstellung der Inhalte des „Hermeneutikpapiers“ der SELK aus dem Jahr 2011, wie ich sie wiederholt in verschiedenen Kontexten der SELK auch mündlich vorgetragen habe. Im zweiten Schritt erfolgt eine Anwendung der Darlegungen des „Hermeneutikpapiers“ auf die Frage der Ordination von Frauen zum Amt der Kirche in der SELK.2

  1. Das Hermeneutikpapier
  • Das „Hermeneutikpapier“ der SELK ist 2011 erschienen und wurde unter dem Titel „Biblische
    Hermeneutik“ veröffentlicht als Band 10 der Reihe „Lutherische Orientierung“.
  • Es wurde erarbeitet von der Theologischen Kommission, nachdem die Kirchenleitung der SELK
    diese auf Bitten der 10. Kirchensynode (2003) dazu beauftragt hatte, das zuletzt 1985 erschienene „erste“ Hermeneutikpapier der SELK zu überarbeiten und zu veröffentlichen.
  • Die Aufgabe bestand einerseits darin, eine erkennbare Kontinuität zum ersten Hermeneutikpapier auf sachlicher Ebene zu wahren, und andererseits darin, Impulse aus der hermeneutisch-
    exegetischen Diskussion aufzunehmen, die sich seit 1985 primär im Raum deutschsprachiger Theologie abgespielt hat.
  • Das Papier wurde vom 11. APK der SELK (2009) und von der 12. Kirchensynode der SELK
    (2011) mit großer Mehrheit angenommen.
  • Der damalige Vorsitzende Albrecht Adam erinnert in seinem Vorwort (S. 4) daran, dass die Frage
    eines gemeinsamen Schriftverständnisses im Vorfeld der Vereinigung der lutherischen Freikirchen
    zur SELK (1972) eine Schlüsselrolle gespielt hat (mit Hinweis auf die Einigungssätze aus dem
    Jahr 1947).
  • Das „Hermeneutikpapier“ unternimmt den Versuch, die in der Grundordnung der SELK
    verankerte Bindung an die Schrift Alten und Neuen Testaments (sola scriptura) zu verknüpfen mit
    einer den Einsichten der lutherischen Bekenntnisschriften verpflichteten Hermeneutik und
    Exegese der Heiligen Schrift.
  • Schrift- und Bekenntnisbindung werden daher in der Präambel (§ 1, S. 5) unter Verweis auf den
    Artikel 1 der Grundordnung der SELK eigens in Erinnerung gerufen. So heißt es in der Präambel,
    es gehe darum, „die Schrift im Verweisungsgefüge von Schrift und Bekenntnis auszulegen. […]
    Das Bekenntnis strukturiert […] die Schriftauslegung der Kirche theologisch auf Christus hin.“
  • Gelten soll das Papier wie das Vorgängerpapier als „Grundlage des Verkündigens und Studierens
    im Raum der SELK“ (S. 4).
  • In der Präambel wird eine gesamtbiblisch-trinitarische Schrifthermeneutik skizziert. (§ 1, S. 5)
    Demnach ist die Schrift unfehlbares Wort Gottes. Durch sie wirkt Gott Vater den rettenden
    Christusglauben und baut seine Kirche. Dies geschieht ebenso wie die diesem Geschehen
    entsprechende Schriftauslegung unter dem Beistand des Heiligen Geistes.
  • Der Inhalt der Schrift ist daher christozentrisch bestimmt. Gottes schriftgebundenes Wirken durch
    Gesetz und Evangelium im gottesdienstlichen Kontext der Kirche wird vorausgesetzt. Erinnert
    wird an die Trias von meditatio, oratio und tentatio (die Dreiheit von Schriftbetrachtung, Gebet
    und Anfechtung, die nach Luther einen Theologen und einen Christenmenschen ausmacht), durch
    deren Vollzug der Ausleger selbst zum durch die Schrift Ausgelegten wird.
  • Mit der Offenlegung der Prämissen ist eine zentrale Anforderung an rechenschaftsfähiges
    wissenschaftliches Arbeiten erfüllt. (§ 1, S. 6)
  • Es folgt eine Verhältnisbestimmung von Gott, Wort, Gottes wortgewirkten Taten und der
    Verkündigung derselben im Kanon der Bibel sowie der darauf gründenden je gegenwärtigen
    Verkündigung. Betont wird das Schriftprinzip auch hinsichtlich des kritischen Gegenübers zur Kirche und zu deren Tradition. Festgehalten wird an dem christologisch begründeten Verständnis
    von der sich selbst auslegenden Schrift. (§ 2.1)
  • Dass der auferstandene Christus sich selbst nach Auskunft des Neuen Testaments an die Schriften
    Alten und Neuen Testaments gebunden hat (z. B. Lk 24,27.46-47, Joh 5,39), macht diese Schriften
    ebenso verpflichtend für die Kirche wie der Glaube, dass der Heilige Geist es ist, der durch die
    Propheten und Apostel geredet hat und durch ihre Rede die Schriftausleger im gottesdienstlichen Kontext der Kirche beheimatet. (§ 2.2)
    „Die hier vorgelegte lutherische Hermeneutik wendet sich mit dem Ansatz einer kanonischen
    Schriftauslegung gegen eine Zerfaserung der biblischen Aussagen in verschiedene Theologien und versteht Christus als Mitte der Schrift.“ (S. 7; dazu noch einmal betont § 2.4).
  • Der Bekenntnisbindung entspricht ein strukturiertes Schriftverständnis, das innerbiblische
    Unterscheidungen einübt wie „Gesetz und Evangelium“, „Verheißung und Erfüllung“, „Typus und
    Antitypus“, „Glauben und Schauen“, „Verstehen und Vorstockung“. (§ 2.3)
  • Die Einsicht in die „Geschichtlichkeit des Verstehens“ bzw. der Schriftauslegung macht die
    Wahrnehmung und Prüfung der Stationen der Auslegungsgeschichte ebenso zur Aufgabe wie die
    kritische Prüfung und Korrektur eigener Vorverständnisse. (§ 3.1-3.2)
  • Der spezifische Kontext oder Lebenszusammenhang theologischer Schriftauslegung ist die Kirche
    (una sancta). In diesem Kontext ist für die Auslegung der Schrift einerseits mit dem Heiligen Geist
    zu rechnen (bzw. um dessen Hilfe zu bitten), nimmt die menschliche Logik andererseits eine
    dienende, instrumentale Funktion ein, wie sie für eine rechenschaftsfähige Auslegung unerlässlich ist. (§ 3.3)
  • Die nach den Regeln der Logik in Anwendung zu bringenden Methoden sind dann legitim, wenn
    sie sich durch „Textangemessenheit“ auszeichnen. Das führt zu einer Bevorzugung von
    „synchronen“ (kanonischen) Methoden gegenüber „diachronen“ Methoden, die oft spekulativ
    arbeiten, indem sie Vorstufen der vorhandenen Texte zu „rekonstruieren“ suchen. (§ 4.1)
  • Darüber hinaus sind alle Methoden legitim, die dazu dienen, Aspekte der biblischen Texte in ihrem
    engen und weiten Kontext in sachgemäßer Weise zu beleuchten bis hin zu sozialgeschichtlichen
    und wirkungsgeschichtlichen Fragestellungen. (§ 4.2)
  • Christuszentrierte Schriftauslegung im kirchlichen Lebenszusammenhang kann insofern mit
    offenen Fragen wie den Rändern des Kanons, textkritischen Uneindeutigkeiten und Unklarheiten
    hinsichtlich der historischen Rekonstruierbarkeit biblischer Geschichte leben, da diese die
    grundsätzliche christologische und eschatologische Perspektive der Schriftbotschaft nicht fraglich machen. (§ 5.1-5.2)
  • Für das Verständnis biblischer Weisungen hilft die Verortung derselben im Zusammenhang der
    sich aus der Schrift selbst ergebenden Unterscheidung von Gesetz und Evangelium. Diese
    Unterscheidung wiederum stellt den Ausleger in die Spannung von Freiheit gegenüber aller
    (verdienstlichen) Gesetzesgerechtigkeit einerseits und Bindung an den „unwandelbaren Willen
    Gottes“ als Frucht des Geistes im Glaubensgehorsam der Gerechtfertigten andererseits. (§ 5.3.1)
  • Der Christusbezug ist leitend für die Wahrnehmung der Vielfalt biblischer Weisungen, die sich im
    Horizont des Evangeliums als Mahnung und Trost lesen lassen. (§ 5.3.2)
  • Ein wichtiger Teil der Aufgabe der Theologischen Kommission bei der Neufassung des
    Hermeneutikpapiers war es, Hilfestellungen dafür zu geben, warum manche Weisungen der Schrift als zeitübergreifend gültig wahrgenommen werden, andere dagegen nicht. Zu den
    Differenzierungen innerhalb der biblischen Weisungen ist die Auflistung der Bibelstellen in den
    Fußnoten zu § 5.3.3 zu beachten (siehe S. 18)!
  • Die konkrete Vielfalt der biblischen Weisungen lässt sich hinsichtlich der Frage nach
    Zeitgebundenheit und bleibender Verbindlichkeit ordnen, wenn zum einen die u. a. in § 2.3
    aufgezählten binnenbiblischen Unterscheidungen berücksichtigt werden, zum anderen die
    jeweilige Besonderheit der entsprechenden Weisungen in ihrem Kontext beachtet wird.
    So gibt es (aufgelistet auf S. 18):

    a) sakramentale Einsetzungsworte (Mt 16,19; 26,26-28; 28,18-20; Joh 20,21-23; 1Kor11,23-25 u.a.m.),
    b) Worte, Lehren, Gebote des Herrn (1Kor 7,10; 11,23; 14,37; 1Thess 4,2),
    c) persönliche Meinungsäußerungen biblischer Autoren oder Hinweise auf Sitten undGebräuche (1Kor 7,6.12.25f; 11,16),
    d) Weisungen, deren Geltung einen definierbaren historischen Ort haben (Apg 15,19-20 3; Mt 8,224 ; 9,21).

    Hier liegen zwischen den in a) und b) aufgezählten Stellen und den in c) und d) aufgezählten Stellen große Unterschiede hinsichtlich des zeitübergreifend verbindlichen Charakters der jeweiligen Weisungen vor.

    So handelt es sich bei den unter a) aufgezählten Bibelstellen um die Einsetzungsworte von Absolution, Abendmahl und Taufe, wie Luther sie als für die kirchliche Unterweisung grundlegend in den Kleinen Katechismus aufgenommen hat.

    So handelt es sich bei den unter b) aufgezählten Bibelstellen um die Beispiele, in denen der Apostel Paulus direkt auf Worte, Lehren und Gebote Jesu Christi selbst Bezug nimmt. Dazu gehört auch hier die Einsetzung des Abendmahls (1Kor 11,23), aber auch das auf die gottesdienstliche Lehre bezogene Schweigegebot für die Frau in 1Kor 14,37.5

    Davon sind gemäß Hermeneutikpapier hinsichtlich der Frage nach Zeitgebundenheit und bleibender Verbindlichkeit die in c) und d) aufgeführten Stellen zu unterscheiden. So gibt der Apostel Paulus in 1Kor 7 und 11 zu erkennen, dass er einen Unterschied sieht zwischen dem verbindlichen (und damit Lehre begründenden) Wort des Herrn6 und seiner persönlichen Meinung zu einem Sachverhalt, den man so wie er, aber auch anders sehen kann7, oder einer damals üblichen kirchlichen „Sitte“.8
  • Dazu tritt folgende für die christliche Begründung der Ethik wichtige Beobachtung: Hinsichtlich
    ethischer Fragestellungen bestimmt das Neue Testament die Differenz von „alt“ und „neu“, von
    dem also einerseits, was als überwunden und vergangen zu gelten hat, und andererseits dem, was
    das Leben der Getauften aus der Rechtfertigung gegenwärtig prägt, auf eigentümliche Weise. Dies geschieht nämlich so, dass hinsichtlich der christlichen Lebensweise ein Leben des
    (vorchristlichen) „alten Menschen“ „nach dem Fleisch“ (bzw. nach den Normen dieser Welt) dem
    Leben des „neuen Menschen“ „nach dem Geist“ gegenübergestellt wird (Röm 8,1-13; Gal 5,16-
    26; Eph 4,17-5,20; Kol 3,1-17). Hierbei geht es nicht in erster Linie um Moral, sondern um das
    Ernstnehmen von Gottes Handeln an den Christen in der Taufe (z.B. 1Kor 6,9-11).
  • Eine Besonderheit stellt in diesem Zusammenhang die Wahrnehmung der Spannung von
    „Nachfolge-Ethos“ (z.B. Lk 8,23-24; 9,57-62; 14,25-27) und „Haustafel-Ethos“ (Eph 5,21-6,9;
    Kol 3,18-4,1; 1Petr 2,18-3,7) dar, die deutlich macht, dass in Verfolgungssituationen andere
    Verhaltensweisen nötig werden als in äußerlich friedlichen Zeiten. (5.3.3)
  • Wichtig ist für diesen ganzen Bereich der letzte Abschnitt von 5.3.3, nämlich dass es bei den
    Weisungen der Heiligen Schrift für das Leben der Gläubigen „nicht in erster Linie um
    Einschränkungen des Lebens geht, sondern um das Ausloten des durch die Taufe eröffneten
    Raumes, in dem sich christliches Leben unter dem Segen Gottes und im Heil Jesu Christi bzw.
    unter dem Einfluss seines Geistes abspielt. Die biblischen Weisungen dienen diesem Leben auf
    doppelte Weise, indem sie sowohl die Vielfalt dessen benennen, was der Christusgemeinschaft
    entspricht, als auch die Vielfalt dessen, was ihr widerspricht und sie gefährdet. Mit der Polarität
    von Autonomie und Heteronomie, Selbstbestimmung und Fremdbestimmung, ist daher den
    biblischen Weisungen nicht gerecht zu werden, geht es in ihnen doch um den Gegensatz zwischen
    einem gleichermaßen zunächst fremdbestimmten, dann auch selbstbestimmten Leben nach dem
    Geist (Gottes) einerseits oder nach dem Fleisch (des Sünders) andererseits. Die Auslegung und
    Anwendung der Weisungen ist daher dann ‚christuskonform‘, wenn sie zur Rückkehr zur
    empfangenen Taufwirklichkeit und zu einem dieser Wirklichkeit angemessenen Leben führen.
    Daher bildet sich die Zuordnung von Gesetz und Evangelium auch in der Anwendung der
    Weisungen ab, insofern der Christ als Sünder zur Rückkehr zur Taufe bzw. zum Empfang der Vergebung und des Geistes Jesu Christi geführt wird, durch den das neue Leben jetzt schon so
    Gestalt gewinnt, dass dieses Leben durch das Wort ‚geformt‘ wird.“
  1. Die Anwendung auf die Frage der „Frauenordination“ in der SELK

    Lutherische Theologen wie Peter Brunner und William Weinrich, die sich intensiv von einem lutherischen Schriftverständnis ausgehend mit der Frage der Frauenordination auseinandergesetzt haben,9 weisen darauf hin, dass sich nach dem Zeugnis des Neuen Testaments (z.B. 1 Kor 11,2-16; Eph 5,22-33) die spezifische Zuordnung von Mann und Frau in der Schöpfung im Verhältnis von Christus und seiner Kirche widerspiegelt. Demnach lassen sich die apostolischen Weisungen fürs Predigt- und Pastorenamt als Ergebnis der gesamtbiblischen göttlichen Heilsgeschichte verstehen, weshalb sie keineswegs als zeitbedingt qualifiziert werden können, sondern die Kirche bleibend verpflichten.

    Ausgangspunkt ist dabei die differenzierende Wahrnehmung, dass es in der Schrift einzigartige göttliche Institutionen oder Ordnungen gibt, die keineswegs zeitbedingt sind, die auch nicht nur
    Willenskundgebungen Gottes darstellen, sondern aus sich heraus – d. h. kraft göttlicher Autorität – universale und damit auch gegenwärtige Realität setzen, die von uns wahrgenommen und in Anspruch genommen sein will. Solche göttlichen Ordnungen sind einerseits in der Einsetzung des Amtes durch Christus selbst zu sehen, andererseits in der Schöpfung des Menschen als Mann und Frau in ihrer spezifischen Zuordnung zueinander. Durch die ganze heilige Schrift zieht sich das Zeugnis vom Aufeinander-Angewiesensein und von der Unaustauschbarkeit von Mann und Frau, von der Gleichheit der Rechte als Geschöpfe und getaufte Gotteskinder und der Unterschiedenheit der Berufungen von Mann und Frau in Ehe und Gemeinde. Die Stiftung der missionarisch-weltweiten Evangeliumsverkündigung und der Verwaltung der Sakramente durch Jesus selber ergeht neutestamentlich niemals abstrakt, sondern immer personal gebunden. Taufe, Schlüsselamt und Abendmahl sind wie die öffentliche Evangeliumsverkündigung den Aposteln anbefohlen, die die entsprechende Vollmacht dann an die Hirten der Gemeinde weitergeben (z. B. Apg 20,28; 1 Petr 5,1-4; 1 Tim 3,1-7; 4,14; Tit 1,5-9). Zu den Kriterien hierfür gehört nach 1 Tim 3,2, dass ein „Bischof“ „Mann einer einzigen Frau“ ist. Die beiden klassischen Hauptbelegstellen zur Frage des Frauenpredigtamts (1Kor 14,34 und 1Tim 2,8-12) stellen in diesem gesamtbiblischen Kontext keineswegs kulturelle Anpassungsleistungen,10 sondern gleichsam den Schnittpunkt der schöpfungstheologischen wie der amtstheologischen Linie dar.

    So lassen sich unter Beachtung der lutherischen hermeneutischen Prämisse, dass sich der Heilige Geist nicht selber widerspricht, 11zahlreiche innerkanonische Spannungen plausibel machen. Dazu gehört die Beobachtung, dass Jesus einerseits viele Jüngerinnen um sich scharen konnte (Lk 8,1-3), andererseits in den Zwölferkreis aber nur Männer namentlich berief (Lk 6,13-16), um diesen dann sowohl die Sakramente als auch den Missionsbefehl anzuvertrauen. So lässt sich verstehen, weshalb Jesus sich zunächst den zum letzten Liebesdienst an ihm aufgebrochenen Frauen als der Auferstandene offenbarte und sie dann mit einem begrenzten Auftrag zu seinen Jüngern schickte (Mt 28,9-10), bevor er dann selbst den Jüngern begegnete, um ihren Glauben zu wecken und sie in die Welt hinauszusenden (Mt 28,16-20). So lässt sich verstehen, warum es für Paulus selbstverständlich ist, dass Frauen im Gottesdienst präsent und in Gebet und Lobpreis beteiligt sind (vgl. 1 Kor 11,2-16), während er ihnen zugleich im Zusammenhang der gottesdienstlichen Lehrverkündigung das stille Zuhören und Empfangen anbefiehlt (wie die Stille angesichts der Gegenwart Gottes und der Austeilung seiner Gnadenmittel generell von allen Gottesdienstteilnehmern erwartet wird, denen nicht durch die Ordination die Predigt bzw. Lehrverkündigung anbefohlen ist).

    Damit hängt das „Nein“ zur Ordination von Frauen zum Amt der Kirche nicht nur an zwei „isolierten Belegstellen“, sondern ergibt sich aus der Anwendung einer heilsgeschichtlich-trinitarischen Schriftanschauung, wie sie im Hermeneutikpapier der SELK für unsere Zeit sachgerecht aufgenommen ist und vertreten wird.

Prof. Dr. Armin Wenz, Mertendorf, August 2024

  1. https://www.selk.de/download/Biblische-Hermeneutik-2011.pdf ↩︎
  2. Vgl. ausführlicher auch: Armin Wenz, Zur Debatte über die Ordination von Frauen in der SELK, in: Lutherische Beiträge 16, 2011, S. 239-249. ↩︎
  3. „Darum meine ich, dass man die von den Heiden, die sich zu Gott bekehren, nicht beschweren soll, sondern ihnen schreibe, dass sie sich enthalten sollen von Befleckung durch Götzen und von Unzucht und vom Erstickten und vom Blut.“ Hier handelt es sich um die in der konkreten Situation des Übergangs zur Heidenmission den in Gemeinschaft mit Judenchristen lebenden Heidenchristen auferlegten „noachitischen“ Gebote. Vgl. 1Mose 9,4 (nach 3Mose 3,17; 17,12f; 19,4.19 waren dies bereits im AT die Vorschriften für die unter Israel lebenden Heiden). ↩︎
  4. „Aber Jesus spricht zu ihm: Folge mir nach und lass die Toten ihre Toten begraben!“ Dieses Gebot gilt einem konkreten Menschen in der Begegnung mit Jesus in seiner konkreten Situation. Dass es in seiner Bedeutung auch uns heutige Christen etwas lehren kann über die Priorisierungen in unserem Leben, ist festzuhalten. Dass man nicht das Verbot ableiten kann, Trauerfeiern für Anverwandte und Freunde abzuhalten oder zu besuchen, ist deutlich, wenn man die Stelle im Kontext der gesamten Schrift liest und betrachtet. Ähnliches gilt dann auch für Mt 19,21, Jesu Wort an den reichen Jüngling: „Jesus sprach zu ihm: Willst du vollkommen sein, so geh hin, verkaufe, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm und folge mir nach!“ ↩︎
  5. Vgl. die Stelle im Zusammenhang (1Kor 14,33b-38): „Wie in allen Gemeinden der Heiligen sollen die Frauen schweigen in den Gemeindeversammlungen; denn es ist ihnen nicht gestattet zu reden, sondern sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz sagt. Wollen sie aber etwas lernen, so sollen sie daheim ihre Männer fragen. Es steht einer Frau schlecht an, in der Gemeindeversammlung zu reden. Oder ist das Wort Gottes von euch ausgegangen? Oder ist’s allein zu euch gekommen? Wenn einer meint, er sei ein Prophet oder vom Geist erfüllt, der erkenne, dass es des Herrn Gebot ist, was ich euch schreibe. Wer aber das nicht erkennt, wird nicht erkannt.“ ↩︎
  6. Vgl. 1Kor 7,10: „Den Verheirateten aber gebiete ich – nein, nicht ich, sondern der Herr –, dass die Frau sich nicht von ihrem Manne scheiden lassen soll“. ↩︎
  7. Vgl. 1Kor 7,6: „Das sage ich aber als Erlaubnis und nicht als Gebot.“; 7,12: „Den andern aber sage ich, nicht der Herr: Wenn ein Bruder eine ungläubige Frau hat und es gefällt ihr, bei ihm zu wohnen, so soll er sie nicht fortschicken.“; 7,25: „Über die Jungfrauen habe ich kein Gebot des Herrn; ich sage aber meine Meinung als einer, der durch die Barmherzigkeit des Herrn verlässlich ist.“ ↩︎
  8. Vgl. 1Kor 11,16: „Ist aber jemand unter euch, der darüber streiten will, so soll er wissen, dass wir diese Sitte nicht haben – und die Gemeinden Gottes auch nicht.“ ↩︎
  9. Vgl. William Weinrich, „It is not given to Women to Teach“. A Lex in Search of a Ratio, Fort Wayne, IN, 1993; Peter Brunner, Das Hirtenamt und die Frau, in: ders., Pro Ecclesia. Gesammelte Aufsätze zur dogmatischen Theologie, Band 1, Fürth, 3. Auflage 1990, S. 310-338. Als Download hier. ↩︎
  10. Vgl. Weinrich, It is not given, S. 14: Paul argues “not on the basis … of the culture and society”, but “on the basis of the story of creation”. ↩︎
  11. Auf diese Prämisse und ihre Anwendung durch Luther weist Hans Kirsten hin: Luther und die Frauenordination, in: derselbe, Die Kirche in der Welt. Aufsätze zur praktischen Theologie aus drei Jahrzehnten, Groß Oesingen 1983, S. 185-194, hier vor allem S. 192f. ↩︎