Was ist „Fundamentalismus“? Was ist „Biblizismus“?

Von | Juli 16, 2025
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Immer wieder hören wir aus den Medien und auch innerkirchlich die Begriffe „Fundamentalismus“ und „Biblizismus“. Mit diesen Begriffen wird viel Schindluder getrieben, sie werden als Totschlagargument verwendet und sind durchgängig negativ besetzt. Sie werden gleichgesetzt mit einem gestrigen Weltbild, mit Engstirnigkeit, Sektierertum, Intoleranz, Fanatismus und Psychodruck.

Spitze des medialen Missbrauches des Begriffes „Fundamentalismus“ ist, dass evangelikale und freikirchliche Christen wie auch röm.-kath. Traditionalisten in einem Atemzuge mit Islamisten als „Fundamentalisten“ bezeichnet werden. Um nicht in diese Gesellschaft und in die negative öffentliche Bewertung zu geraten, ist inzwischen jede Kirche und christliche Gruppe ängstlich bemüht, sich von diesen negativ gefüllten Begriffen zu distanzieren.

Was ist die wörtliche und ursprüngliche Bedeutung und Herleitung des „Fundamentalismus“?

Sie geht auf das Wort „Fundament“ (lat. „Fundamentum“ in der Vulgata) zurück, was mit „Grund“ oder „Grundlage“ zu übersetzen ist. Ein Fundamentalist ist also ein Mensch, der sich auf die Grundlage besinnt und bezieht. Der Apostel Paulus schreibt uns (1. Kor 3, 11): „Einen anderen Grund (lat. „Fundamentum“) kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“ Und (Eph. 2, 20): „So seid ihr erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist.“ Jesus Christus, wie ihn die Apostel und Propheten bezeugen, ist der Grund, das Fundament, seiner Kirche und des Glaubens eines jeden Christen. So sind die, die an ihm hängen, logischerweise „Fundamentalisten“. Und unser Fundament, Jesus Christus, hält uns zur Liebe an, ja auch zur Liebe gegen unsere Feinde und nicht zum Hass. Da gibt es keine Gemeinsamkeit mit Islamisten. Die haben ein wahrhaft anderes, ein antichristliches, zur Gewalt neigendes Fundament. Christen mit ihnen in einen Topf zu werfen, ist verfälschend, verleumderisch und bösartig.

Als zu Beginn des 20. Jahrhunderts sich eine bibelkritische Theologie weltweit und auch in den USA etablierte, wurde dort zur Abwehr dieser Tendenzen die Schriftenreihe „The Fundamentals; a Testimony to the Truth“ herausgegeben. Darin wurden die unaufgebbaren Grundlagen („fundamentals“) des christlichen Glaubens festgestellt und entfaltet: Irrtumslosigkeit und Autorität der Bibel, Jesus Christus –  wahrer Gott und wahrer Mensch, die Jungfrauengeburt und die Wunder Jesu, das Kreuzesopfer – der Sühnetod Jesu, die leibliche Auferstehung Jesu und seine Wiederkunft. Wer das glaubte, rechnete sich zu den Fundamentalisten. Vielfach wurde zusätzlich auch noch ein Bekehrungserlebnis gefordert.

Von etlichen liberalen Theologen wird heute eine schrift- und bekenntnistreue Hermeneutik und Exegese als „fundamentalistisch“ kritisiert, ja, diffamiert. Dabei setzen sie Fundamentalismus mit Biblizismus gleich.

Was sollen wir sagen?

Nach diesen Feststellungen ist zu fragen, ob man sich im Gespräch nun pauschal von jedem „Fundamentalismus“ distanzieren sollte, weil der Begriff völlig falsch gefüllt worden ist, oder ob man versuchen soll, im oben angeführten Sinne aufzuklären. Können wir aber da auf Verständnis rechnen? Ich meine, wir sind dennoch gefordert, die Gelegenheit wahrzunehmen und frei zu bekennen: Ja, mein Glaubensgrund, mein Glaubensfundament, ist Jesus Christus, der Sohn Gottes, der für mich am Kreuz gestorben und von den Toten auferstanden ist und uns Gottes Liebe, Vergebung der Sünden und ewiges Leben gebracht hat.

Was ist Biblizismus?

Biblizismus ist ein fehlgeleitetes Verständnis und eine fehlgeleitete Auslegung (Hermeneutik und Exegese) sowie eine fehlgeleitete Anwendung (Applikation) der Heiligen Schrift. Es besteht darin, dass man allein dem Buchstaben folgen will, aber dabei vernachlässigt bis unberücksichtigt lässt:

  • den Textzusammenhang (Kontext),
  • den Zusammenhang mit anderen Texten der Heiligen Schrift (kanonische Schriftauslegung),
  • den geschichtlichen und besonders den heilsgeschichtlichen Hintergrund,
  • die unterschiedliche Gewichtung von Textaussagen der Heiligen Schrift,
  • den Zusammenhang mit der zentralen Botschaft der Heiligen Schrift, dem Evangelium Jesu Christi,
  • die Unterscheidung von Gesetz und Evangelium,
  • die Unterscheidung der Zwei-Reiche / Regimente.

Biblizismus in unterschiedlicher Ausprägung und Intensität trifft man im historischen Pietismus und in heutigen evangelikalen und pfingstlerischen Kreisen und Sondergruppen an. Bei dem fehlgeleiteten biblizistischen Verständnis beruft man sich auf vermeintliche „Bibeltreue“. Lutherische Theologie und Kirche ist dagegen wahrhaft schrift- und bekenntnistreu, aber eben nicht biblizistisch. Das wird mit den hermeneutischen Thesen der SELK sehr deutlich gemacht.

Leider wird der Begriff des Biblizismus oft von liberalen Theologen zur Diffamierung von lutherischen schrift- und bekenntnistreuen Positionen missbraucht. Dafür reicht mitunter schon die Berufung auf Bibelstellen, um eine Aussage als biblizistisch zu brandmarken. Ein Beispiel dafür bietet die Begründung zum Synodalantrag 440.

Detlef Löhde, 14.7.2025