Hat das Patriarchat ausgedient?

Von | August 8, 2024
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Kommen die Befürworter der Frauenordination argumentativ in Bedrängnis, dann flüchten sie sich häufig in den Einwand, dass ja die Bibel in einer Zeit des Patriarchats ausschließlich von Männern geschrieben worden sei. Die Männer hätten dabei zur Sicherung ihrer Machtstruktur frauendiskriminierende Aussagen eingebracht. Das müsse berücksichtigt und neutralisiert werden. Im Zweifelsfall müsse die Bibel auch gegen den Wortlaut geschlechtergerecht ausgelegt und verkündigt werden. Was inhaltlich nicht der gesellschaftlichen Auffassung entspricht, wird umgebogen und beseitigt. „Ja, sollte Gott das gesagt haben, das kann er doch aber nicht so gemeint haben“ (vgl. 1. Mose 3, 1). Der aufgeklärte Mensch wisse heute besser, was gerecht ist, wie die Gesellschaft zu strukturieren sei und welche Regeln zu gelten haben. Eine geschlechtergerecht umgeschriebene Bibel existiert ja bereits.

Es wird also behauptet, dass uns Gott eine frauendiskriminierende, gesellschaftsuntaugliche und damit berichtigungswürdige Heilige Schrift hat überliefern lassen. Das aber ist Hybris, mangelnde Gottesfurcht, Ungehorsam und Unglaube. 

  • In der Gemeinde Jesu und bei der Verkündigung seines Evangeliums geht es nicht um Machtfragen. Jesus spricht (Mt 20, 25.26): „Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker niederhalten und die Mächtigen ihnen Gewalt antun. So soll es nicht sein unter euch; sondern wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener.“ Beim Amt der Kirche geht es darum, wem der Herr den besonderen Auftrag und die besondere Vollmacht gegeben hat, in seinem Namen öffentlich das Evangelium zu verkündigen und ihm und der Gemeinde zu dienen.
  • Zu dem Verhältnis von Mann und Frau schreibt Paulus in Rückbezug auf 1. Mose 3, 16, dass die Frau sich dem Manne unterordnen soll, aber der Mann soll sie lieben und sei ihr Haupt, so wie Christus ist das Haupt der Gemeinde. Der Mann soll zu seiner Frau so sein, wie Christus zur Gemeinde, die er geliebt hat und liebt und an deren Stelle er in den Tod gegangen ist. Welch Anspruch an den Mann, seine Frau so selbstverleugnend, selbstlos und opferbereit zu lieben, im Notfall sein Leben für sie zu geben. Ist das Diskriminierung und Unterdrückung der Frau?
  • Die Bibel ist nicht falsch, frauendiskriminierend akzentuiert, sondern so wie sie ist, so ist sie von Gott gegeben und gewollt. Paulus schreibt (2. Tim 3, 16): „Alle Schrift, von Gott eingegeben (wörtlich „geistgehaucht“), ist nütze zur Lehre, zur Zurechtweisung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit“. Gott hat uns mit der Bibel keinen falschen Kompass in die Hand gegeben, der uns in die Irre leitet. Richten wir uns vertrauensvoll nach seinem Wort, dann geraten wir nicht auf Irrwege, auch nicht auf gesellschaftspolitische.

Das ist die Antwort aus der Heiligen Schrift auf den Einwand, die Bibel propagiere eine überholte patriarchalische Machtstruktur, die negiert werden müsse. 

Der Einwand, die vermeintliche Frauendiskriminierung in der Bibel müsse „neutralisiert“ oder negiert werden, ist kein theologischer, sondern ein soziologischer. Er pocht auf eine irdische Gerechtigkeit, wie sie die Gesellschaft zur Zeit versteht. Dem liegt die Ideologie zugrunde, das Patriarchat bekämpfen zu müssen. Der Begriff „patriarchalisch“ wird ausschließlich negativ verstanden und verunglimpft, obwohl er wörtlich positiv „väterlich“ bedeutet. Wahres Vater-sein bedeutet, verantwortlich, fürsorglich, verständnisvoll und liebevoll zu sein. So wie Gott der Vater Jesu ist und durch ihn auch unser Vater. So wie Jesus uns einen Vater vor Augen malt, der seinen gefallenen Sohn wieder in Ehren und mit Freuden aufnimmt (Lk 15, 11 ff.). Das ist das biblische Verständnis eines wohl verstandenen Patriarchats. Davon wollen sich Frauen befreien?

Der eigentliche Anstoß ist, dass generell kein Mann über einer Frau stehen soll, auch kein liebevoller und wohl auch kein Vatergott. Das Patriarchat sei das Machtinstrument der Männer und Quelle fast aller Übel und Ungerechtigkeiten, von der Unterdrückung der Frauen und Minderheiten, über den Kapitalismus bis hin zum Krieg: „Ihr Frauen, nehmt den Männern die Macht, dann seid ihr frei und wir haben eine bessere Gesellschaft und Welt!“ Wir merken, man bewegt sich auf dem Feld der Ideologie und der Pseudo-Religion.

Ja, sollten Frauen die besseren Menschen sein? Die Bibel weiß nichts davon. Vor Gottes Gesetz, wie auch vor dem Evangelium, ist nicht Mann oder Frau, hier ist kein Ansehen der Person, hier ist kein Unterschied, wir sind allesamt Sünder und bedürfen der Gnade und Erlösung (Gal 3, 28; Röm 2,11; 3, 22 ff.). Auch wenn Frauen die Macht haben, bessert das weder die Ehe noch die Gesellschaft oder den Staat. Doch wer gegen das Patriarchat kämpft, vertritt die gegenteilige Meinung. Außerdem Frauen würden überhaupt keine Macht wie die Männer ausüben wollen. Da blitzt die Utopie der Anarchie auf, das generelle Ablehnen jeder Über- und Unterordnung. Aber stimmt das, dass Frauen keine Macht ausüben wollen und dass eine Gesellschaft ohne Über- und Unterordnung, ohne eine Herrschaftsstruktur, existieren kann?

Der griechische Philosoph Platon (428 – 347 v.Chr.) schrieb, Machtausübung ist in der menschlichen Natur fundiert, es ist ein Zwangscharakter jeder menschlichen Gesellschaft. Menschen können nur mit und in einer Machtstruktur zusammenleben. In der Bibel wird uns das durch die Institutionen der Ehe, Familie, der Priesterschaft, der Ältesten, des Führers bzw. Königs Israels bezeugt. Der Soziologe Max Weber (1864 – 1920) traf folgende weitergehende Unterscheidung: „Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen …“. Danach ist die reine Macht von Willkür bestimmt, ist uneingeschränkt und ungebunden. Dagegen ist „Herrschaft“ inhaltlich und personell auf einen Bereich begrenzt, ist in einen Rahmen von Verantwortung und Recht gebunden. An eine Herrschaft besteht eine verlässliche Erwartung. So ist der Beherrschte nicht ein Ohnmächtiger. Er kennt den Rahmen seines Herrschers und weiß, dass auch er noch eine Instanz über sich hat – als höchste: Gott. Das Patriarchat in der Antike beruhte nicht auf ungebundenem Eigenrecht des Patriarchen, sondern er hatte als Hausvater im Interesse seines ganzen Hauses zu handeln (Oikonomos – Haushalter). Wie Paulus schreibt, lasst uns treue Haushalter des Herrn sein (1. Kor 4, 1.2). Gott knüpfte an den König, an den Priester, an den Hausvater, an den Ehemann wie später Christus an die Apostel und Ältesten ganz bestimmte Erwartungen. Nur im Rahmen ihrer von Gott übertragenen Aufgaben und Verpflichtungen dürfen sie „Haushalter-Herrschaft“ ausüben. Dass sie oft diesen Maßstäben nicht genügt haben und Herrschaft eigensüchtig missbraucht wurde, bedarf keiner weiteren Erörterung. Und das ist bis heute so. Auch Herrschende sind Sünder und Herrschaftsbefugnis trägt ein besonderes Verführungspotential zum Missbrauch in sich.

Wer gegen das Patriarchat kämpft, muss gefragt werden, woher denn die Überzeugung genommen wird, dass wenn den Männern die Macht genommen werde, sich alles zum Guten wenden werde. Wie die Erfahrungen zeigen, machen auch Frauen in Leitungspositionen nicht alles anders und besser als Männer. Der andere Einwand, dass Frauen gar nicht so wie Männer Herrschaft ausüben wollen und eine Gesellschaft ohne jede Über- und Unterordnung möglich sei, ist lebensfremd. Fehlt in einer Gesellschaft eine Ordnungsstruktur der Über- und Unterordnung, fehlt eine Herrschaftsautorität, dann bricht erfahrungsgemäß Chaos aus. Es führt zu Zerfall und Selbstzerstörung.

Als Antwort und Gegenmodell wird nun das Narrativ des „Matriarchats“, des Mutterprinzips, bemüht. In vorgeschichtlicher Zeit, in der frühen Steinzeit, habe es nur das Matriarchat gegeben. Das steht im klaren Gegensatz zur Bibel! Die ganze Sippengesellschaft sei von Frauen geprägt und regiert worden. Abstammung und Erbrecht bestimmten sich über die Mutterlinie. Den Männern oblag nur die Jagd und der Schutz nach außen. Mitunter wohnten Frauen und Männer in getrennten Gemeinschaftshäusern und die Männer kamen nur zu Besuch. Die frauengeprägte und -regierte Gesellschaft wäre lebensbejahend, friedfertig, konsensfähig und klassenlos gewesen und hätte Äcker und das Sippenhaus als Gemeinschaftseigentum – ein irdisches Paradies. Die archäologischen Funde weiblicher Gottheiten, besonders der Urmutter Gaia (= Erde) und der fülligen Steinzeit-Venus sieht man als Beweis für die vermeintlich ursprüngliche allgemeine matriarchalische Gesellschaftsordnung. Für die behaupteten ehrenwerten Verhaltensweisen fehlen jedoch die Beweise bzw. liegen Gegenbeweise vor. Die ideale Gesellschaftsordnung des Matriarchats sei jedoch leider von der männlichen aggressiven patriarchalischen Gesellschaftsordnung verdrängt worden. Begonnen habe dieser „Sündenfall“ mit der Sesshaftwerdung, dem Ackerbau und den Sumerern im 4. Jahrtausend v. Chr. Damit wird das behauptete allgemeine Matriarchat in die wenig aussagefähige vorgeschichtliche Zeit verortet, während das Patriarchat in frühgeschichtlicher Zeit offen zu Tage liegt. Was nicht heißt, dass es das Matriarchat im Einzelfall nicht gegeben habe. Die letzte angeblich große matriarchalische Gesellschaftsordnung sei um 1500 v. Chr. auf Kreta zerstört worden. Heute trifft man bei einzelnen indigenen Völkerschaften auf matriarchale Gemeinschaftsordnungen. Den Begriff des Matriarchat hat man inzwischen weiter ausdifferenziert.

Die übergroße Mehrheit der Historiker, Ethnologen und Soziologen halten die Hypothese eines vorgeschichtlichen allgemeinen Matriarchats für wissenschaftlich nicht haltbar. Die Etnologin Dr. Ingrid Thurner / Wien hält das ganze Narrativ für einen feministischen Traum und eine emanzipatorische Illusion. Im Kampf gegen das Patriarchat braucht man aber dieses Narrativ als Motiv, Begründung und Alternative. Da naturgemäß aus vorgeschichtlicher Zeit nicht hinreichend beweiskräftige Fakten vorliegen, spricht man von dem „mythischen Matriarchat“. Wie auch z.B. für das antike kriegerische Reitervolk der weiblichen Amazonen nur mythische Quellen existieren.

Im  gegenwärtigen Kampf gegen das Patriarchat wird behauptet, er entspringe einer ererbten Ur-Erinnerung an das Matriarchat und dem Träumen von einer besseren gesellschaftlichen Zukunft. Ein Narrativ mit psychologischen, soziologisch-utopischen und heidnisch-religiösen Zügen.  Die freie Wissenschaftsphilosophin Frau Dr. Heide Göttner-Abendroth präsentiert u.a. die Urbevölkerung von Sumatra und die fünf Irokesenstämme in den USA als vorbildliche matriarchalische Gesellschaften. Sie würden von einer älteren Frau über ein Rätesystem regiert. So würden alle integriert, auch die Männer, es führe zur schnellen Konsensfindung, stifte Frieden, sei basisdemokratisch, sei eine „Graswurzel-Demokratie“. Es vermittle den Männern ein anderes Männlichkeitsideal, stehe im Einklang mit der Natur, die das Göttliche selbst sei und mit der wir eng verflochten seien (Pantheismus). Die Berichte des 18. und 19. Jahrhunderts bezeugen allerdings ein anderes Bild von den Irokesen. Frau Dr. Heide Göttner-Abendroth sagt, es sei gar nicht nötig, für das Matriarchat zu werben oder zu missionieren. Ein Prozess in Richtung Matriarchat sei bereits angelaufen und die Krisen drängen ihn weiter. Das Matriarchat als die ursprüngliche Gesellschaftsordnung sei das Zukunftsmodell und werde sich automatisch wieder durchsetzen.

Aus Sicht der Heiligen Schrift ist es die Umkehrung dessen, was Gott als Ordnung für das Zusammenleben von Mann und Frau gesetzt hat. Der Mensch meint es besser als Gott zu wissen, was für die Gemeinschaft von Mann und Frau gut ist. Gott sagt, der Mann soll der Herr sein – Herrschaft in recht verstandenem Sinne, im Sinne Christi üben – patriarchalisch. Der Mensch, vorrangig die Frau sagt, es sei besser für die Gemeinschaft, wenn die Frau die Herrschaft ausübt – matriarchalisch. Ein Dazwischen, also ohne jede Über- und Unterordnung, ohne eine Herrscherautorität, gibt es nicht, wie schon Platon ausgeführt hat und wie die Erfahrungen zeigen. Und zwischen Gottes Wort und Gebot und des Menschen Wort und Gebot gibt es auch kein Dazwischen. Die Ordnung Gottes aber auf den Kopf zu stellen, das ist ein Werk des Lügners von Anbeginn, des Widersachers Gottes und der Menschen.

August 2024, Detlef Löhde